Künstliche Intelligenz (KI) ist für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die wissenschaftliche Exzellenz und die gesellschaftliche Entwicklung der Schweiz von strategischer Bedeutung. Umso wichtiger ist ein ausgewogener Umgang mit dem Schutz geistigen Eigentums. Die Schweiz muss auf Prävention, Rechtssicherheit und internationale Anschlussfähigkeit setzen – nicht auf Blockaden, die Forschung und Innovation verhindern.
Die Motion Gössi (24.4596) verfolgt ein berechtigtes Anliegen: geistiges Eigentum im Zeitalter der KI zu schützen. In ihrer jetzigen Form geht sie jedoch weit über dieses Ziel hinaus. Statt des international etablierten Opt-out-Standards1 fordert sie für die Schweiz ein striktes Opt-in2: Jede Nutzung geschützter Inhalte für KI müsste vorgängig explizit erlaubt werden.
Dies hätte gravierende Folgen:
• Blockade für Forschung und Innovation: Wichtige Ausnahmen im Urheberrecht, insbesondere die Forschungsschranke, würden entfallen. Universitäten, Start-ups und Unternehmen stünden damit vor unüberwindbaren Hürden, da es praktisch unmöglich wäre, weltweit Einwilligungen einzuholen.
• Wettbewerbsnachteil für den Standort Schweiz: Während international KI-Innovationen vorangetrieben werden, würde sich die Schweiz selbst ins Abseits manövrieren. Globale Anbieter könnten ihre Dienste für den Schweizer Markt sperren, was einer digitalen Selbst-Isolation gleichkäme.
• Gefährdung der Wirtschaftsdynamik: Den Schweizer Unternehmen, insbesondere auch den KMU, würde die Möglichkeit verwehrt, KI effizient einzusetzen, Prozesse zu optimieren, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und dank KI fortschrittlich und wettbewerbsfähig zu bleiben.
• Schwächung von Produktivität und Innovationskraft: Innovative Schweizer Firmen hätten keine Chance, in einem der zukunftsträchtigsten Felder mitzuhalten. Dies schwächt die Wettbewerbsfähigkeit auch in Bezug auf Talentgewinnung.
Unsere Empfehlung:
KImpact empfiehlt die Ablehnung der Motion Gössi in der vorliegenden Form. Stattdessen sind folgende Massnahmen zielführend:
1. Rechtssicherheit und Vergütung
Schaffung klarer gesetzlicher Grundlagen für eine erweiterte Kollektivlizenz, die Inhalte gegen Entgelt nutzbar macht. Rechteinhaber können über Opt-out aus-schliessen oder gezielt Lizenzvereinbarungen treffen.
2. Technische Steuerung statt Verbote
Einführung und internationale Abstimmung eines maschinenlesbaren Standards (z. B. Weiterentwicklung von robots.txt3, llms.txt4) als verbindliches Opt-out-Signal. Rechtsinhabende erhalten damit ein einfaches, wirksames Instrument zur Kontrolle.
3. Schutz für hybride KI-Inhalte
Prüfung, ob KI-generierte Inhalte mit erheblichem menschlichem Beitrag schützbar sein sollen, um Anreize für hochwertige Arbeit zu schaffen.
4. Stärkung der Informationsvielfalt
Förderung regionaler und tagesaktueller Berichterstattung als Bestandteil des Service Public, um zentrale Informationen unabhängig von globalen KI-Plattformen zu sichern.
5. Wettbewerbsfähigkeit erhalten
Sicherstellen, dass Schweizer Unternehmen KI im internationalen Wettbewerb einsetzen können – für Innovation, Produktivität und Fachkräftegewinnung.
Weiteres Vorgehen:
Wir regen an, nach dem erfolgreichen Vorbild von AGUR125 einen runden Tisch einzuberufen, an dem Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Rechteinhaber gemeinsam eine tragfähige, international kompatible Lösung erarbeiten.
Begriffsdefinitionen
1Opt-out-Standard: Inhalte dürfen grundsätzlich genutzt werden, solange Rechtsinhabende nicht ausdrücklich widersprechen. Dieses Verfahren ist international etabliert und ermöglicht Innovation, während Lizenzgebende gleichzeitig die Kontrolle behalten.
2Opt-in-Standard: Inhalte dürfen nur genutzt werden, wenn Rechtsinhabende zuvor ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt haben. Dieses Verfahren ist administrativ sehr aufwendig und erschwert Innovation erheblich.
3robots.txt: Eine Textdatei auf Webseiten, mit der Inhaltsverantwortliche festlegen können, ob und welche Inhalte von Suchmaschinen oder anderen Bots indexiert werden dürfen.
4llms.txt: Ein vorgeschlagener, neuer Standard nach dem Vorbild von robots.txt, der speziell regeln soll, ob Inhalte für das Training grosser Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) genutzt werden dürfen.
5AGUR12: Abkürzung für «Arbeitsgruppe Urheberrecht 2012», ein von Bundesrat und Stakeholdern eingesetzter runder Tisch, der Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Schweizer Urheberrechts erarbeitet hat. AGUR12 hat breit abgestützt und konsensorientiert konkrete Resultate erzielt.